"Wir nutzen endlich die Chance, ein modernes Einwanderungsrecht zu schaffen. Wir werden dafür sorgen, dass wir die Fachkräfte ins Land holen, die unsere Wirtschaft seit Jahren dringend braucht. Wer mit dem Mittelstand und dem Handwerk spricht, der weiß, dass wir nur so den Wohlstand unseres Landes sichern können. Wir wollen, dass Fachkräfte schnell nach Deutschland kommen und durchstarten können. Bürokratische Hürden wollen wir aus dem Weg räumen. Wenn Menschen Berufserfahrung oder persönliches Potenzial mitbringen, werden wir es ihnen ermöglichen, auf unserem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.“
Was Bundesinnenministerin Nancy Faeser hier ausspricht, spüren Unternehmen in Deutschland schon seit langem am eigenen Leib. Der anhaltende Fachkräftemangel in Deutschland verunsichert Unternehmen zunehmend und macht die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften fast unmöglich. Deutschland ist mit seinem Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2020 vielen anderen europäischen Ländern hinterher. Eine Reform war schon lange im Gespräch und wurde nun beschlossen.
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das seit dem 1. März 2020 in Kraft ist, vereinfacht Arbeitnehmer:innen aus Drittstaaten die Einreise nach Deutschland. Bisher galt dies nur für Fachkräfte mit Hochschulabschluss oder qualifizierter Berufsausbildung, die in Deutschland anerkannt war, und wenn sie bereits ein Jobangebot hatten. Am 29. März 2023 hat das Bundeskabinett nun einen Gesetzesentwurf zur Reform beschlossen, welche die Einreise von Fachkräften erheblich erleichtern soll.
Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz ermöglicht die Einwanderung von Fachkräften basierend auf drei Säulen: Qualifikation, Erfahrung und Potenzial.
Die erste Säule bleibt Qualifikation: Fachkräfte mit deutschem oder in Deutschland anerkanntem Hochschulabschluss sollen auch künftig über die Blaue Karte EU oder über eine nationale Aufenthaltserlaubnis in Deutschland arbeiten können. Neu an dem vorgelegten Gesetzesentwurf ist, dass diese Fachkräfte nicht mehr ausschließlich in ihrem Fachbereich arbeiten, sondern jede qualifizierte Beschäftigung ausüben dürfen. Das soll unter anderem auch das Studium oder eine Ausbildung in Deutschland attraktiver machen. Für IT-Spezialist:innen wird der Erwerb der Blauen Karte EU noch zusätzlich vereinfacht: Sie benötigen keinen Hochschulabschluss, müssen aber bestimmte non-formale Qualifikationen nachweisen können.
Die zweite Säule basiert auf Erfahrung und macht es künftig möglich, mit mindestens zwei Jahren Berufserfahrung und einem im Herkunftsland anerkannten Berufsabschluss nach Deutschland einzuwandern. „Wenn Menschen Berufserfahrung oder persönliches Potenzial mitbringen, werden wir es ihnen ermöglichen, auf unserem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Einzige Voraussetzung ist, dass eine Gehaltsschwelle eingehalten wird, oder aber der Arbeitgebende tarifgebunden ist. Nach der Einreise können die betreffenden Arbeitnehmer:innen eine Anerkennung des Berufsabschlusses beantragen. Das ermöglicht Arbeitgeber:innen, schneller qualifizierte Fachkräfte zu beschäftigen und Arbeitnehmer:innen können während des Anerkennungsverfahrens bereits in ihrem Fachbereich und qualifiziert arbeiten.
Die dritte Säule der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes zieht das Potenzial williger Arbeitnehmender in Betracht. Dazu soll eine sogenannte Chancenkarte eingeführt werden, die auf einem Punktesystem basiert. Mit der Chancenkarte ist eine Beschäftigung oder Probeschäftigung bereits während der Arbeitssuche erlaubt. Dabei darf erstere 20 Wochenstunden nicht überschreiten und zweitere ist auf zwei Wochen beschränkt. Zu den Auswahlkriterien gehören:
• Qualifikation • Deutsch- und Englischkenntnisse • Berufserfahrung • Deutschlandbezug • Alter • Potenzial der mitziehenden Ehe- oder Lebenspartner:innen
All diese Änderungen bringen viele positive Aspekte mit sich. Ausländische Fachkräfte in den Talentpool aufzunehmen, bietet ihren Kund:innen eine noch breitere Auswahl an qualifiziertem Personal.
Durch die Gewinnung von Personal aus Drittländern, die mit der Gesetzesreform erheblich erleichtert wird, kann gezielt nach spezialisiertem Fachwissen und Know-how gesucht und entsprechende Fachkräfte können eingestellt und vermittelt werden.
Die Einwanderung von Fachkräften und deren Anstellung führt automatisch zu mehr Diversität im Unternehmen, welches durch gutes Diversity Management positiv nach innen und außen wirkt. Es steigert die Zufriedenheit, Motivation und Loyalität durch alle Ebenen hindurch. Unternehmen mit einer diversen Belegschaft, deren unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden, sind attraktiver für Arbeitsuchende und erfolgreicher darin, ihre Mitarbeiter:innen langfristig zu halten.
Nicht zuletzt soll die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vor allem ein Ziel haben: die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte einfacher und unkomplizierter zu machen. Langes Warten auf Visa und Arbeitsgenehmigungen sollen somit bald der Vergangenheit angehören. So hoffen jedenfalls viele Unternehmen.
Die Realität könnte jedoch weiterhin anders aussehen: Schon jetzt beschweren sich Bundesländer, dass das neue Gesetz viel zu bürokratisch sei und noch mehr Arbeit auf sie zukäme. Es erleichtert zwar die Einwanderung, jedoch nicht den bürokratischen Aufwand.
Damit kommt auch auf Unternehmen, die ausländische Fachkräfte beschäftigen wollen, Mehrarbeit zu. Der Aufbau einer Abteilung, nur um die rechtlichen Hürden zu meistern, ist nicht unrealistisch und bietet doch keine Garantie, den Mangel an qualifizierten Fachkräften in Deutschland schnell zu beheben. Denn eine Antwort darauf, wie der bürokratische Mehraufwand in den Ländern aufgefangen werden soll und wie die jetzt schon überlasteten Ämter die Visaverfahren bewerkstelligen sollen, gibt es (noch) nicht.
Mit dieser ersten Hürde enden die Herausforderungen jedoch noch nicht. Das neue Gesetz wird zwar sicher dafür sorgen, dass mehr Fachkräfte nach Deutschland einwandern, es hat aber keine Antworten auf die Fragen, wo diese weiter geschult werden sollen, sich fortbilden oder schnell die deutsche Sprache erlernen können.
„Bereits heute unterstützen wir Unternehmen durch hochgradig flexible und individuelle Lösungen in Krisenfällen, bei besonderen Spitzen oder bei der Bewältigung volatiler Auftragslagen. Solange – wie bei all unseren Unternehmen der Fall – hundertprozentig sichergestellt ist, dass ein reguläres Arbeitsverhältnis mit sozialpartnerschaftlich ausgehandelten tariflichen Rahmenbedingungen existiert, sollte die Zeitarbeitsbranche ihre Kompetenzen und Möglichkeiten zwingend aktiv einbringen können."
– Peter Blersch, Region President DACH bei Adecco
Die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes war lange fällig und dringend geboten. Das Bundeskabinett hat damit Bewusstsein für das Problem des Fachkräftemangels und den Willen gezeigt, es zu lösen. Dies ist jedoch nur der erste Impuls, die Voraussetzungen für eine gezielte Einwanderung zu definieren und zu schärfen. Nun gilt es weitere Erschwernisse aus dem Weg zu räumen. Um Fachkräfte tatsächlich nach Deutschland zu holen und ihnen die Einreise zu erleichtern, bedarf es zum einen einer schnelleren Bearbeitung der Anträge oder einer Prozessvereinfachung. Gerade mittelständische Unternehmen, die händeringend nach zusätzlichen Kräften suchen, wird diese Reform nur schleppend ans Ziel bringen, da sie für die bürokratische Mehrarbeit und sorgfältige Einarbeitung selten über ausreichend Zeit und Geld verfügen. Zum anderen ist die sprachliche Hürde nicht zu unterschätzen. Zwar suchen fast alle Unternehmen verzweifelt nach geeigneten Kräften, dennoch können sich nur wenige vorstellen, Mitarbeitende ohne Deutschkenntnisse einzustellen. Das sind dann die tatsächlichen Hürden und Aufgaben, die es noch zu meistern gilt.
Die Branche, die langjährige Erfahrung im Bereich Aus- und Weiterbildung auch in Form von Sprachkursen von Mitarbeitenden hat und diese schon jahrzehntelang erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert, wird explizit von der Fachkräftezuwanderung ausgeschlossen. Adecco, mit über 150 Niederlassungen in ganz Deutschland verfügt über ein gut ausgebautes Fortbildungssystem, bietet seinen Mitarbeitenden bereits Sprachkurse an und macht es Unternehmen und Arbeitnehmenden einfacher, sich intensiv kennenzulernen, bevor man zu einer Festanstellung übergeht. Personaldienstleiter könnten zudem den administrativen Mehraufwand für die Unternehmen stemmen und mit ihrem Knowhow schnelle und einfache Prozesse zur Eingliederung der Fachkräfte aufbauen. Aber Paragraph 40 des Aufenthaltsgesetzes verbietet es Ausländer:innen, die einen Aufenthaltstitel benötigen, jedoch nach wie vor, als Zeitarbeitneher:innen tätig zu werden. Würde dieser Artikel – wie vom Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e. V. (BAP) schon lange gefordert – gestrichen werden, stünden nicht nur Unternehmen neue Türen offen.
Dr. Nicolas Keller, stellvertretender Abteilungsleiter Arbeitsmarkt der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), bemerkte bei der Sachverständigenanhörung zum Entwurf des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes Folgendes: „Zeitarbeitsunternehmen haben sehr viel Erfahrung im Umgang mit Migration, sie ist eine Brücke für viele andere Unternehmen. Zeitarbeit ist ein echter Integrationsmotor für den Arbeitsmarkt. Die Personaldienstleister“, so der Sachverständige, „kümmern sich um die Begleitung beispielsweise bei der Vermittlung von Sprache sowie um die Eingliederung der Menschen über Arbeit in die Gesellschaft. Außerdem, so Keller, hätten die Zeitarbeitgeberverbände Qualitätsstandards, die sie sich selbst gegeben haben und an denen sich die Mitgliedsunternehmen orientieren. Die Erfahrung und Expertise der Personaldienstleister könne besonders kleinen und mittelständischen Unternehmen helfen, geeignete Arbeitskräfte außerhalb der EU zu rekrutieren und Menschen eine Perspektive auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu geben. Wenn Sie noch mehr zum Thema erfahren und sich persönlich beraten lassen möchten, können Sie jederzeit unsere Personalexpert:innen kontaktieren. Sie helfen Ihnen dabei, die Arbeitskräfte zu finden, die Ihr Unternehmen benötigt.
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